Haushaltsrede zum Doppelhaushalt 2023/2024

Hier unser Beitrag zu den Haushaltsberatungen.

Von unserer Vorsitzenden Sabine Kober. Redemanuskript vom 2.2.2023 (Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, liebe Dezernent*innen, Mitarbeitende, Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste,
zuerst etwas Grundsätzliches, das muss einfach sein. Der Zeitplan dieses HH ist eine einzige Zumutung. Heute vor 2 Wochen wurde uns dieser vorgestellt und nun sollen wir schon die Ergebnisse der Diskussion unserer Fraktion präsentieren. Das ist schlicht unmöglich. Der einzige Grund, dass wir dieses Vorgehen nicht boykottieren, ist, dass es in dieser Stadt noch langsamer voran ginge ohne gültigen HH-Plan. Wir anerkennen die enorme Arbeit aller daran Beteiligten, wir respektieren den Stolz auf das Geleistete, aber man muss auch uns, als gewählten Vertreter*innen der Bürgerschaft, die Möglichkeit geben, unseren Beitrag zu leisten und das geht nicht in zwei Wochen!
Das heißt also, in meiner Rede werde ich allgemein unsere Wünsche und Forderungen an die Verwaltung zum Ausdruck bringen, aber auf einzelne Projekte des vorgestellten Haushalts kann ich leider kaum eingehen. Wir behalten uns auch vor, weitere Anträge zu stellen, denn in dieser kurzen Zeit waren weitergehende Überlegungen nicht möglich.



Es gibt Stimmen aus diesem Gremium, die meinen, dieser GR sei so politisch geworden und man meint, ein Bedauern darüber herauszuhören. Ist dieser Vorwurf und das Bedauern gerechtfertigt?
Zur grünen DNA gehört der Klimaschutz. Er ist Richtschnur all unseres Handelns, unsere Verantwortung für zukünftige Generationen und Voraussetzung für eine zukunftsfähige Entwicklung unserer Stadt. Aus diesem Grund beschäftigen sich die meisten unserer Anträge mit dem Klimawandel, dessen Abmilderung oder Verzögerung und der Klimafolgen-Anpassung. Wir bekennen uns zu einer pragmatischen und kooperativen Kommunalpolitik. Wir haben aber einen klaren Kompass und werden bei der Verfolgung existenzieller Ziele keine faulen Kompromisse schließen.
Mit Erleichterung nahmen wir den Masterplan Schulen entgegen, haben wir doch so lange darauf gewartet. Aber was müssen wir lesen? Kaum ein Wort von energetischer Sanierung! Es geht fast nur um das Raumprogramm. Das ist unbestritten wichtig für eine gelingende Bildungslandschaft, aber ohne Maßnahmen ins Energiesparen verfehlt dieser Plan sein Ziel. Wir wollen ausschließlich in Projekte investieren, die energieeffizient sind. Im Moment ist viel Geld vorhanden, das muss unserer Meinung nach, dringend in den Bestand investiert werden. Dazu gehören auch die beiden kleinen Bäder. Ein Austausch der Technik ist nicht ausreichend, auch dort gehören Fenster und Dächer saniert. Danach eignen sie sich hervorragend für PV und der erzeugte Strom kann direkt vor Ort verbraucht werden. 2 Schulsporthallen haben es, aufgrund ihres maroden Zustands, in die Priorität A geschafft. Wir sind gespannt auf die Sitzungsvorlagen, was dort an energetischen Sanierungen geplant ist. Zu den Schulen gehört auch unbedingt der Campus am Rappenbaum. Wir mahnen hier dringend Gespräche mit Böblingen an, sonst ist ein Weiterkommen unmöglich. Es kann nicht sein, dass auf dem Rücken von Grundschüler*innen, Befindlichkeiten zweier Nachbarkommunen ausgetragen werden.

170 Immobilien besitzt die Stadt, wie ich irgendwo in diesem HH gelesen habe. Wir haben großes Verständnis, dass man den eigenen Arbeitsplatz warm und trocken haben möchte und stehen somit hinter der Sanierung unseres größten Denkmals, des Rathauses. Aber wir meinen, diese Sorgfalt hätten auch andere Gebäude in der Stadt verdient. Zum Beispiel das Maichinger Bürgerhaus. Es sind wieder nur Minibeträge eingestellt, noch nicht einmal Planungskosten sind für die Zukunft avisiert. Die Sanierung wird auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben. Nichtstun ist keine Option, denn lange hält diese Konstruktion dem Zahn der Zeit nicht mehr stand und das Gebäude muss abgerissen werden, ein großer Verlust an grauer Energie. Auch ein Verlust an schöner Architektur, denn nicht umsonst bekam dieses Gebäude einst einen Preis.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt eine zweckgebundene Liquiditätsreserve von 10 Mio. Euro, analog der 50 Mio für den Masterplan Schulen, um einen Anfang zu machen bei der Sanierung des gesamten Immobilienbestands. Wir sind überzeugt, dass der Sanierungsstau in Sindelfingen nicht viel kleiner ist als in Böblingen und dort redet man über 3-stellige Millionenbeträge. Wir sehen allerdings keinen Sinn darin, zunächst einen Betrag zu ermitteln und dann erst loszulegen. Wie wir alle wissen, sind solche Zahlen spätestens 5 Jahre nach deren Erhebung obsolet.
Der größte Beitrag zur Energieautarkie ist das Energiesparen und hier gelingen die besten Ergebnisse mit der Sanierung des Gebäudebestands, lassen sie uns also in dieser Richtung sofort beginnen und kraftvoll weiterarbeiten.

Wenn es um marode Gebäude geht, dann steht natürlich auch das Badezentrum auf der Agenda. Wir haben oft und ausführlich erklärt, wir sind für eine energetische Sanierung, dazu gehört selbstverständlich auch die komplizierte Fensterkonstruktion und das noch kompliziertere Dach. Dieses außergewöhnliche Gebäude hat unsere besondere Aufmerksamkeit verdient. Wir gehen gemeinsame mit dem GR in Richtung Attraktivierung als Familienbad, aber die bisher bekannt gewordenen Pläne der Stadt für ein Luxusbad lehnen wir ab. So sehen wir eine Saunalandschaft als verzichtbar an, auch um keine unnötige Konkurrenz zur Böblingen Therme zu schaffen.

Wir freuen uns, endlich die Sanierung der Galerie in den Plänen gefunden zu haben. Abgesehen von der herausgehobenen Lage im Stadtbild, am Kopfende des dann sanierten Marktplatzes, ist dieses Gebäude auch historisch wertvoll und trägt zur Identifikation der Sindelfinger Bürgerinnen und Bürger bei. Diese Investition ist eine in die Kulturlandschaft der Stadt, ein dringend benötigter Ausgleich zu den immensen Ausgaben, die gerade für den Sport getätigt werden und die da noch kommen sollen.

Aus diesem Grund muss auch das KuB ein Erfolgsmodell werden, an diese Planungen sind so große Hoffnungen geknüpft. Die Veranstaltungsräume müssen funktionieren, nur so kommen die gewünschten Synergieeffekte zustande. So war ein Wunsch unserer Fraktion, die theaterspielenden Gruppen aus dem Theaterkeller in ein attraktiveres Ambiente zu holen, vielleicht auch einmal die IG Kultur in diesen Räumen zu beheimaten und so ein echtes Kulturzentrum zu schaffen. Wir finden die Idee, den I-Punkt dort unterzubringen, sehr gut und wenn es dann noch eine konsumfreie Zone gibt, sind einige unserer Erwartungen erfüllt. Es soll ein Anziehungspunkt für Menschen aus dem ganzen Kreis werden, eine wirkliche Attraktivierung der Innenstadt. Und ganz nebenbei, attraktiv ist eine Innenstadt nur, mit so wenig Autos wie möglich. So sollten z.B außer Anwohnern und Lieferverkehr zu bestimmten Uhrzeiten, keine Autos durch unsere Altstadt rollen. Mitglied der dtsch. Fachwerkstrasse zu sein und dann zugeparkt, das passt nicht zusammen.

Es fallen uns noch viele Immobilien ein, in welchen die Gewerbesteuermillionen gut angelegt wären, aber auch wir sehen den Personalmangel an allen Stellen.
Aus diesem Grund sind wir nicht nur generell für die Entfristung von Planstellen, wir möchten auch die beiden befristeten Stellen im Amt für Klimaschutz und Nachhaltige Mobilität entfristen. Vielleicht wird so die siebte Ausschreibung für den Sanierungsmanager für das Hinterweil endlich erfolgreich. Wir halten auch die Eingruppierung der gewünschten Stellen für nicht zielführend, der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Wenn es uns ernst mit diesen Stellen ist, dann müssen diese zwingend attraktiver, d.h. höher eingruppiert werden. Wir stehen hier in Konkurrenz zur Landeshauptstadt und dort erfolgt die Eingruppierung eines Klimamanagers in E13. Dabei ist der monetäre Aspekt nicht der einzige Faktor für eine attraktive Arbeitsstelle. Es muss eine wertschätzende Atmosphäre herrschen, die auch einmal Fehler verzeiht. Nur so hält man seine Mitarbeitenden und verhindert Fluktuation.

Das gleiche Dilemma des Fachkräftemangels herrscht im Amt für Digitalisierung. Wie Frau Altdörfer in der Fragestunde des GR zum HH berichtete, könnte das Tempo zur Digitalisierung der Sindelfinger Verwaltung mit mehr Mitarbeiter*innen deutlich anziehen. Wir halten die Digitalisierung für ein ausgesprochen wichtiges Thema auf dem Weg in die Zukunft. Da sehen wir uns mit dem OB auf einer Linie. So beantragen wir eine zusätzliche Stelle für dieses Amt. Zur Gegenfinanzierung verzichten wir auf die Stelle Personalmarketing für Beamtenstellen lfd. Nr.2/2023

Nun kommen wir zu einem unserer Lieblingsthemen, dem Radfahren und der dazugehörenden Infrastruktur. Die Planungen für die ersten Routen laufen, es gibt auch schon erste Beschlüsse, also könnten wir eigentlich zufrieden sein. Aber so leicht sind wir nicht zufrieden zu stellen. Letzten Monat gab es einen Eimer roter Farbe für den Radweg an der Ausfahrt des Glaspalastparkplatzes. Genau das wünschen wir uns an vielen anderen Stellen im Stadtgebiet. Es müsste doch ein Leichtes sein, die technischen Betriebsdienste mit dieser Aufgabe zu beauftragen. Diese Farbe, ob rot oder blau, erhöht die Sicherheit für die Radfahrenden und nicht nur das Gefühl davon. Zur Radinfrastruktur gehören auch Radabstellgelegenheiten. Hier möchten wir vorschlagen, sich nur einmal die Radständer auf dem Schulcampus Hinterweil anzuschauen. Diese mögen überdacht sein, das ist aber auch schon alles an Nützlichkeit.
Mit all diesen Maßnahmen gibt Sindelfingen vielleicht sogar das Schlusslicht im Ranking des ADFC-Fahrradklimatests ab. Es ist einfach ein Trauerspiel, dass eine so reiche Stadt jedes Jahr aufs Neue so schlecht abschneidet.

Ein anderes grünes Kernthema sind die Erneuerbaren Energien. Auch hier werden wir immer ungeduldiger, was den Ausbau betrifft, sei es die Windenergie oder PV-Flächen. Wenn jetzt der größte Arbeitgeber und Steuerzahler am Ort großes Interesse in vor Ort produziertem grünem Strom sieht, so gibt uns das die Hoffnung, dass hier Großes möglich ist. Denn allen Betrieben in der Region ist klar, dass die Kunden hier besondere Anstrengungen erwarten, das geht Bosch in Renningen so oder auch dem Flughafen in Stuttgart. Hier müssen wir gemeinsam an einem Strang ziehen, Hindernisse aus dem Weg räumen und einen großen Schritt in Richtung Klimaneutralität tun. Wir setzen uns dafür ein, auf allen geeigneten Flächen im Wald entlang der Autobahn A8 moderne Windräder zu erstellen. Diese Vorhalteflächen sind ideal, da abseits jeglicher Wohnbebauung, es gibt bereits Zufahrtswege und auch eine Stromtrasse. Die Pläne der Verwaltung reichen bei weitem nicht aus. Sindelfingen hat viel mehr Potential!

Dasselbe Zögern erkennen wir beim Ausbau von PV-Flächen. Das bisherige Ergebnis ist noch sehr dürftig.
Mit Dienstantritt des neuen Solarmanagers verknüpfen wir große Erwartungen. Wir hoffen, er hat schon die vielen Möglichkeiten in Sindelfingen eruiert, überdachte Parkplätze (z.B. Badezentrum, Stadthalle, Glaspalast), der neue kleine Busbahnhof in Maichingen, das neue Stadiondach, Freiflächen-PV entlang der A8, alles geeignete Flächen. Ein wunderbares Beispiel, dass auch etwas voran geht, ist unsere Kläranlage, wo einige von uns heute beim Spatenstich waren. Hier werden die neuen Klärbecken mit faltbaren PV-Dächern gedeckt, das ist wirklich innovativ.
Fortschritt erhoffen wir uns auch von den Stadtwerken. Natürlich bringen große Flächen den größten Ertrag, aber wie jeder weiß, auch Kleinvieh macht Mist. So erwarten wir mehr Engagement in Mietermodelle und vielleicht sogar in Balkon PV, wie es uns Holzgerlingen jetzt vormacht.


Welche Themen bewegen die Grünen noch? Es ist der Flächenfraß, Sindelfingen hat das große Glück, von Ackerflächen ausgezeichneter Güte umgeben zu sein. Uns hat schon das Herz geblutet, als es um Allmendäcker ging. Keine Option ist für uns der weitere Verlust von kostbarer Landschaft beim Gewann Mühlweg. Mit uns Grünen wird es keine Entwicklung dieses Gebietes geben. Abgesehen von den ökologischen Folgen, wären auch die sozialen Fragen, die der Infrastruktur, zuerst zu lösen. Wo sollen diese Kinder die Kita besuchen? Wo sollen sie zur Schule gehen? Wo deren Eltern zum Arzt gehen? Wo die Senior*innen betreut werden? Ohne Ausgleich und ohne die Beantwortung dieser Fragen, d.h. ohne das Ortsentwicklungskonzept, kann es kein neues, derartig großes Wohngebiet in Maichingen geben.
Wir sehen zuerst Potential beim Krankenhausareal, beim Goldbach Campus und auch im Eschenried. Hier sind wir gerne bereit, für die Zukunft zu planen. Wir wollen Areale zu entwickeln, die die Herausforderungen der klimaresilienten und energieautarken Stadt, der Stadt der kurzen Wege, der sozialen und integrativen Stadt, anpacken.

Hier kommen unsere Wohnstätten ins Spiel. Wir sind glücklich einen so kompetenten und potenten Partner an unsere Seite zu wissen. Aber, und dieses aber ist wichtig, wir werden unseren ganzen Einfluss geltend machen, was die zukünftige Ausrichtung dieser städt. Tochter betrifft. Nachhaltigkeit eröffnet ökonomisches Potential beim Bauen. Die Methoden und Materialien sind dieselben seit Jahren und so geht Zukunft nicht. Wenn die Wohnstätten z.B. den Hochpunkt und das Stadthaus auf dem Post/VoBa Areal entwickeln sollen, dann nur mit Ideen, die in die Zukunft weisen und nicht „wie immer“ gehandhabt werden.
Mit unserem Ansinnen, eines 30% Anteils an gefördertem Wohnraum, sind wir auch noch nicht weitergekommen, obwohl uns das von OB Vöhringer nach dem letzten großen Disput versprochen wurde. Noch einmal werden wir hier nicht klein beigeben.

Ich komme nun zurück zur Anfangsfrage, ist das Gremium, sind die Grünen politischer geworden?
Ja, das sind wir! Indem wir auf den Wandel reagieren. Die Herausforderungen in diesen Zeiten verlangen Leitplanken, Ziele, an denen wir uns orientieren können. Im besten Fall geben diese die Bundespolitik vor und wir hier vor Ort gestalten unser Lebensumfeld und das unserer Kinder, Freunde und Nachbarn, danach. Die Probleme der Welt sind die unseren, nur gemeinsam können wir an deren Lösung arbeiten. Lassen sie uns die ersten Schritte tun.
Herzlichen Dank

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